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Berliner Parteien zu Freier Software: Regierung enttäuscht, Opposition macht Hoffnung

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Die Free Software Foundation Europe (FSFE) veröffentlicht heute als Teil der "Koalition Freies Wissen die Wahlprüfsteine für die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin am 18. September 2016. Die Parteien konnten Stellung nehmen zur Forderung, öffentlich finanzierte Software als Freie Software zu veröffentlichen, sowie zu ihrer Bereitschaft, Freie Software an Bildungseinrichtungen verstärkt einzusetzen. CDU, Grüne, Linke, Piraten und SPD haben geantwortet und erklärten ihre jeweiligen Positionen dazu. Zudem wurden die Wahlprogramme der Parteien untersucht und Vergleiche zu den Positionen der Parteien von vor fünf Jahren gezogen. Dabei schneiden Grüne und Linke positiv ab, bei der CDU, den Piraten und der SPD sieht die FSFE teils erheblichen Verbesserungsbedarf.

Fortschrittlich in Erscheinung treten die Grünen in Berlin, die Freier Software möglichst Vorzug geben wollen und zudem fordern, dass öffentlich finanzierte Software "stets mit Quellcode unter einer freien Lizenz veröffentlicht werden" soll. Auch die Linke in Berlin tritt positiv in Erscheinung, unterstützt Freie Software in ganzer Breite und möchte "für alle zukünftigen Beschaffungen [...] auf die Nutzung freier Software drängen". Dies auch, so die Linke, damit die öffentliche Hand die Hoheit über ihre eigenen Infrastrukturen behält. Die beiden regierenden Parteien enttäuschen hingegen. Die CDU scheint Freie Software und die Möglichkeit, einen Quellcode zu verändern, als grundsätzlich für gefährlich zu betrachten, denn jemand könnte die Software "für gesetzlich verbotene Zwecke einsetzen". Die Christdemokraten verlangen daher eine Einzelfallprüfung für jede Software und weichen weiteren Fragen konsequent aus. Bei der SPD herrscht ebenfalls Unwissenheit, aber zumindest begrüßt sie den Einsatz Freier Software "wenn möglich" – eine Formulierung, die jedoch in der Vergangenheit oft dafür missbraucht wurde, Freie Software von vornherein auszuschließen. Die Piraten enttäuschen überraschenderweise mit ihrer Antwort: Sind sie bei der letzten Wahl noch als Vorreiter für Freie Software in Erscheinung getreten, sind sie dieses Mal kaum auf dieses Thema eingegangen.

Einige Ergebnisse der Befragung

Das Wahlprogramm der Berliner CDU kommt vollständig ohne die Erwähnung Freier Software aus und dementsprechend enttäuschend und unambitioniert klingen die Antworten der CDU auf unsere Fragen. Sie blockt damit, "dass wenn eine Software mit naheliegenden Veränderungen so abgewandelt werden kann, dass sie zu gesetzlich verbotenen Zwecken eingesetzt werden kann, dies [aus Sicht der CDU Berlin, Anm. d. Red.] der Bereitstellung als freier Software entgegenstehen kann." Deshalb, folgert die CDU, sei in jedem Einzelfall zu prüfen ob eine Software "der Allgemeinheit vollumfänglich zur Verfügung gestellt werden" könne. Dabei ist das Argument irreführend, denn genauso wie ein Küchenmesser Gutes und Schlechtes tun kann, so kann prinzipiell auch jegliche Software (auch ohne Abwandlung), beispielsweise ein Schreibprogramm, für gesetzlich verbotene Zwecke eingesetzt werden. Auf die Frage zum „Berliner Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen“ wird gar nicht eingegangen. Und bei der Frage, ob sich die CDU für den Einsatz von Freier Software an Schulen und anderen öffentlichen Bildungsinstitutionen stark macht, wird schlicht und einfach die Antwort kopiert, die auch dem Bündnis Freie Bildung zum Thema Open Educational Resources erteilt wurde – obwohl die Antwort in diesem Fall überhaupt keinen Bezug zu Software nimmt. Zusammenfassend fällt die CDU wie bereits fünf Jahre zuvor damit auf, sich den gestellten Fragen zu verweigern und wenige konkrete Aussagen zu treffen.

Ganz anders das Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen, in dem Freie Software als Grundlage der zukünftigen IT-Strategie Berlins gefordert wird. Dementsprechend positiv bewertet die FSFE die Antworten, denn die Grünen bestätigen noch einmal: "Ausschreibungs- und Beschaffungskriterien sind so zu überarbeiten, dass möglichst freie und offene Software vorrangig zum Einsatz kommen". Weiterhin schreiben sie: "Wie offen, frei und nachhaltig unsere Gesellschaft ist, spiegelt sich auch im Einsatz freier und offener Software wider." Deshalb sollen "Softwareentwicklungen von und für Behörden stets mit Quellcode unter einer freien Lizenz veröffentlicht werden", womit die Partei die grundlegende Forderung der FSFE unterstützen, dass öffentlich finanzierte Software unter einer freien Lizenz veröffentlicht werden muss. Geht es nach den Grünen, soll deshalb auch das "Berliner Haushalts, Kassen und Rechnungswesen (HKRneu)" als Freie Software implementiert werden. Auch setzen sich die Grünen für den Einsatz Freier Software "in allen öffentlichen Bereichen ein, also auch in Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen".

Bereits in ihrem Wahlprogramm fordert Die Linke in Berlin, "die öffentliche Verwaltung soll auf Open Source Software umgestellt werden". Und obwohl uns keine Antworten mit direktem Bezug auf unsere Fragen vorgelegt wurden, betont die Linke noch einmal ihre Position und argumentiert: "die öffentliche Hand sollte die Hoheit über die genutzten Infrastrukturen behalten". Auch möchte die Linke "Für alle zukünftigen Beschaffungen [...] auf die Nutzung freier Software drängen" und zudem eine "konzertierte Open-Source-Strategie auf Landesebene" erarbeiten, "die durch eine koordinierende Stabsstelle unterstützt wird." Positiv im Sinne Freier Software ist auch das Konzept, dass im Rahmen eines "Bund-Länder-Programm für digitale Bildung" alle Schülerinnen und Schüler ein mobiles Endgerät erhalten sollen, welches mit Freier Software betrieben wird. Denn, "eine massenhafte Ausstattung der Schüler*innen mit proprietärer Software lehnen wir ab", so die Linke. Die Linke Berlin bleibt damit erfreulicherweise im wesentlichen ihren Positionen der vergangenen Wahl von 2011 treu.

Das diesjährige Wahlprogramm der Berliner Piraten überrascht damit, dass es mit keinem Wort Freie Software erwähnt wird – ein Thema, bei dem sich dieselbe Partei zu den Fragen der FSFE im Jahre 2011 noch positiv hervorgetan hat. Leider fehlt auch in den gegebenen Antworten eine klare Linie zu Freier Software. So wird die Frage "Wie positionieren sie sich zu [...] von der öffentlichen Hand beauftragte und finanzierte Software [...] und mit welchen Maßnahmen werden Sie Ihre Position umsetzen?" mit einem logisch inkonsistenten "Ja." beantwortet. Auf die Frage zu dem Einsatz von Freier Software an Schulen und anderen öffentlichen Bildungseinrichtungen antworten die Piraten mit der Forderung nach einem "freien und gleichberechtigten Zugang zu Inhalten" sowie der Erstellung von Unterrichtsmaterial unter freien Lizenzen. Das ist grundsätzlich begrüßenswert, aber beantwortet die Frage nicht.

Im Wahlprogramm der Berliner SPD kommt Freie Software gar nicht vor und liest man die Antworten auf unsere Fragen, scheint bei diesem Thema noch viel Nachholbedarf zu bestehen. Den Fragen nach der Veröffentlichung öffentlich finanzierter Software sowie der Softwarelösung für das „Berliner Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen (HKR-neu)“ weicht die SPD aus. Auf die Frage nach Freier Software an Schulen verrennen sich die Sozialdemokraten in Phrasen und technische Schlagwörter wie "digitale Schule", "Whiteboards" und "WLAN", ohne jedoch politische Lösungen aufzuzeigen. Trotz einiger bestehender Berührungsängste mit Freier Software schreibt die SPD: "Wir begrüßen eine Umstellung auf Open-Source-Software mit offenen Quellcodes an Stellen, wo dies möglich ist". Leider ist "wo dies möglich ist" eine schwammige Formulierung, die oft zum unberechtigten Generalauschluss Freier Software geführt hat. So wurden unter anderem in Berlin in der Vergangenheit eigentlich sinnvolle Beschlüsse zum Einsatz Freier Software in der Verwaltung auch von der SPD blockiert.

Fazit

Positiv gegenüber dem vermehrten Einsatz Freier Software treten in Berlin die Grünen und die Linken in Erscheinung. Beide Parteien haben konkrete Vorschläge und möchten damit verstärkt auf die Nutzung Freier Software drängen, sowohl in der Verwaltung, als auch in öffentlichen Bildungseinrichtungen. Die Grünen fordern zudem, dass öffentlich finanzierte Software stets unter freier Lizenz veröffentlicht werden soll. Die beiden aktuellen Regierungsparteien, CDU und SPD, haben immer noch starken Nachholbedarf bei Freier Software. Bei der CDU erwecken die Antworten gar den Anschein, dass die CDU Angst vor dem Einsatz Freier Software hat. Die Piraten sind letztendlich nicht auf die eigentlichen Fragen eingegangen.

"Es freut uns zu sehen, dass das Thema Freie Software inzwischen bei den meisten Parteien angekommen ist und auch verstanden wird. Insbesondere bei den Grünen und Linken steht Freie Software mit oben auf der politischen Agenda. Leider enttäuschen beide Regierungsparteien und insbesondere die CDU. Die FSFE wird hier weiter dran bleiben und dabei helfen, unnötige und unbegründete Ängste vor Freier Software weg zu nehmen", sagt Erik Grun, Projektleiter der Berliner FSFE

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