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Bundestagswahl 2017: Das sagen die Parteien zu Freier Software

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Die Free Software Foundation Europe (FSFE) veröffentlicht heute, als Teil der "Koalition Freies Wissen", ihre Wahlprüfsteine für die Wahl zum 19. Deutschen Bundestag am 24. September 2017. Zusammenfassend schneiden Grüne und Linke positiv ab. Beide Parteien scheinen die zentrale Rolle von Software zu verstehen und sprechen sich, wie auch schon zur letzten Bundestagswahl, sowohl für den Einsatz als auch für die aktive Entwicklung von Freier Software aus. Im Vergleich dazu sind die Positionen von CDU/CSU, der SPD und der FDP eher zurückhaltend und oft mit Einschränkungen verbunden.

In den Wahlprüfsteinen der FSFE konnten die gefragten Parteien Stellung nehmen zur Forderung, öffentlich finanzierte Software als Freie Software zu veröffentlichen, sowie zu ihrer Bereitschaft, öffentliche Verwaltungen schrittweise auf Freie Software zu migrieren. CDU/CSU, FDP, Grüne, Linke, und SPD haben geantwortet und erklärten ihre jeweiligen Positionen dazu. Wir analysieren die eingereichten Antworten und vergleichen diese zudem mit unseren Wahlprüfsteinen von 2013. Die Wahlprüfsteine wurden in Zusammenarbeit mit der Koalition Freies Wissen erstellt. Die Koalition Freies Wissen ist ein Zusammenschluss aus mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen. Auf der Kampagnenseite zur Bundestagswahl 2017 finden sich die kompletten Fragen und Antworten der "Koalition Freies Wissen". Im Folgenden eine Zusammenfassung und Bewertung der Antworten auf die Fragen der FSFE.

Bundestag Dom

Die Wahl zum neuen 19. Deutschen Bundestag findet statt am 24. September 2017.

Wahlprüfsteine der FSFE zur Bundestagswahl 2017

Wie positionieren Sie sich zu der Forderung, dass Software, deren Entwicklung durch öffentliche Gelder finanziert oder kofinanziert wurde, grundsätzlich unter einer Freie-Software-Lizenz veröffentlicht werden soll, um sie auf diese Weise Bürgern und Unternehmen frei zur Verfügung zu stellen? Mit welchen konkreten Maßnahmen werden Sie Ihre Position umsetzen?

CDU/CSU haben unsere Frage nur teilweise beantwortet. Obwohl wir nach einer Veröffentlichung von durch öffentlichen Geldern finanzierter Softwareentwicklung fragten, sprechen CDU/CSU von einem "möglichen Einsatz Freier Software". Die von CDU/CSU aufgezählten Kriterien, beispielsweise Funktionalität und Interoperabilität, werden bei einer Eigenentwicklung vom Auftraggeber vorgegeben und vom Auftragnehmer entsprechend umgesetzt. Die verwendete Lizenz hat darauf keinen Einfluss und ist daher getrennt zu betrachten.

Ähnlich wie die CDU/CSU konzentriert sich die FDP bei ihrer Antwort auf die Beschaffung von bereits existierender Software und weniger auf die durch öffentliche Gelder finanzierte Softwareentwicklung, worauf die Frage eigentlich abgezielt hat. Die FDP sieht Vielfalt, "Wirksamkeit öffentlicher Fördermittel" und einen fairen Wettbewerb als wichtige Kriterien bei der Beschaffung von Software. Dies alles sind Werte, die durch Freie Software verkörpert werden. Die Lizenz wird als gleichwertiges Kriterium zur Qualität und Anwenderfreundlichkeit genannt. Während es einerseits positiv zu bewerten ist, dass die Lizenz für die FDP ein gleichwertiges Kriterium darstellt, sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass subjektive Kriterien wie Anwenderfreundlichkeit in der Vergangenheit oft verwendet wurden, um Freie Software zu verhindern. Darüber hinaus können Qualität und Anwenderfreundlichkeit bei Freier Software unabhängig vom ursprünglichen Entwickler verbessert werden, was sowohl bessere Ergebnisse ermöglicht als auch den von der FDP geforderten fairen Wettbewerb stärkt.

Die SPD verspricht, sie "wollen auch im Bereich der öffentlichen Beschaffung von Software stärker auf quelloffene Software (Open Source) setzen". Auch 2013 versprach die SPD bereits "von der öffentlichen Hand finanzierte Software soll, soweit es geht, als Freie Software auch wieder der Allgemeinheit zur Verfügung stehen." In den vergangenen vier Jahren wurde jedoch trotz Regierungsbeteiligung wenig umgesetzt. Zum Beispiel veröffentlicht das SPD-geführte Bundesministerium für Wirtschaft und Energie seine eigens entwickelte App "BMWi Behördenwegweiser" als proprietäre Software, welche zudem nur für Nutzerinnen mit Google oder Apple Benutzerkonto verfügbar ist. Zum Thema Elster meinte die SPD 2013 zudem noch: "Wenn die Politik es ernst meint, verstärkt auf Open Source und Freie Software setzen zu wollen, dann muss sie auch im Bereich der Steuerverwaltung entsprechende plattformunabhängige Ansätze unterstützen. Daher werden wir uns dafür einsetzen, entsprechende Software auch für alternative Betriebssysteme bereitzustellen." An der Situation hat sich bis heute allerdings nichts geändert. Wir würden uns freuen, wenn das Thema in der nächsten Legislaturperiode wieder aufgegriffen wird.

Die Grünen sehen Freie Software als einen "Eckpfeiler für sichere und zukunftsfähige IT-Systeme." Sie wollen Freie Software bei öffentlichen IT-Beschaffungen bevorzugen, "insbesondere dann, wenn BürgerInnen diese einsetzen sollen." Ähnlich wie bei CDU/CSU und FDP wurde auch hier der Punkt der öffentlich finanzierten Softwareentwicklung übersehen. Bei der letzten Bundestagswahl gab es von den Grünen hierzu noch eine klare Aussage, "dass bei Softwareentwicklungen von Behörden stets der Quellcode freigeben werden muss, d. h. die Programme müssen Open-Source sein, damit möglichst viele Menschen von ihnen profitieren können und die Möglichkeit besteht, sie einfach weiterzuentwickeln."

Die Linken dagegen "sind dafür, dass durch öffentliche Mittel finanzierte Entwicklungen allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen, soweit dem keine Gründe der Sicherheit der informationstechnischen Systeme oder der Arbeitsweise der öffentlichen Verwaltung entgegenstehen." Dies geht einher mit dem Statement aus 2013, wo sie ebenso eine Veröffentlichung der von öffentlicher Hand selbst beauftragten Software unter Freien Lizenzen forderten.

Wie positionieren Sie sich zu der Forderung, dass alle öffentlichen Verwaltungen schrittweise auf solche Software umstellen sollen, die sowohl Bürgern als auch Unternehmen zur uneingeschränkten Nutzung, Bearbeitung und Weitergabe zur Verfügung steht (Freie/Open-Source-Software)? Mit welchen konkreten Maßnahmen werden Sie Ihre Position umsetzen?

CDU/CSU halten den Einsatz Freier Software zwar für sinnvoll, erwähnen aber nicht, in welchem Umfang, an welchen Stellen und in welchem Zeitraum sie planen, Freie Software in öffentlichen Verwaltungen einzusetzen. Sie nennen Paragraph 63, Absatz 2 der Bundeshaushaltsordnung (§ 63 Abs. 2 BHO ) als Hindernis, in dem es um die Veräußerung von "Vermögensgegenständen" geht. Dem gegenüber steht jedoch das Begleitdokument "Rechtliche Aspekte der Nutzung, Verbreitung und Weiterentwicklung von Open-Source-Software" (2012) zur vierten Auflage des Leitfaden für die Migration von Software:

"Nach § 63 Abs. 2 BHO dürfen Vermögensgegenstände nur veräußert werden, wenn sie in absehbarer Zeit nicht benötigt werden. Dies dürfte bei der Weitergabe von Software immer erfüllt sein, weil auch bei Weitergabe von Kopien immer eine nutzbare Version bei der Verwaltung verbleibt; §63 Abs. 2 BHO stellt also keine Begrenzung für die Weitergabe von Software dar." (S. 41)

Wenn die CDU/CSU in der Bundeshaushaltsordnung ein Hindernis für ihre Pläne zum Einsatz von Freier Software sieht, hätten sie die Möglichkeit gehabt das Gesetz in den letzten zwölf Jahren Regierungsbeteiligung anzupassen. Wir würden uns wünschen, dass die nächste Bundesregierung mögliche Unklarheiten in der BHO beseitigt und bieten hierzu unsere Unterstützung an. Rechtliche Unklarheiten wie diese sollten Innovationen in der öffentlichen Verwaltung nicht behindern.

Die SPD antwortet, sie wolle "stärker auf Freie Software setzen" und zitiert dazu aus ihrem Wahlprogramm. Dabei ist positiv hervorzuheben, wie auf Seiten der SPD die wirtschaftliche Dimension mitbedacht wird, denn diese möchte "den Anteil freier Software in Verwaltung und Bildungseinrichtungen erhöhen, um innovative Unternehmensgründungen im regionalen Markt zu unterstützen." In der Praxis müssen wir allerdings feststellen, dass die gleichen Vorhaben bereits 2013 formuliert und trotz Regierungsbeteiligung der SPD hier keine Fortschritte erzielt wurden.

Bei der Antwort der FDP fiel es uns schwer, einen Zusammenhang zwischen "E-Government", "bürgerfreundliche[r] Verwaltung", "digitale[n] Dienstleistungen" und unserer Frage zum Einsatz von Freier Software in der Verwaltung herzustellen. Die FDP betont, dass für sie "die Qualität und Nutzerfreundlichkeit der Anwendungen" im Vordergrund steht. Zwei Kriterien, welche sie bereits in ihrer Antwort zur ersten Frage hervorgehoben haben. Dies legt nahe, dass bei der FDP das Thema Freie Software nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Die Grünen haben diese Frage identisch mit der ersten Frage beantwortet. Erstaunlich ist, dass sie an dieser Stelle nicht die Argumente aus ihrem Wahlprogramm anführen. Dort begründen sie den Einsatz von Freier Software nämlich zusätzlich mit den Argumenten erhöhter Transparenz, geringerer Abhängigkeit von einzelnen Herstellern und sicherer Nachnutzung (S. 168).

Die Linke lässt in ihrer Antwort ein klares Bekenntnis zu Freier Software erkennen. Sie sieht Freie Software als eine Möglichkeit, den Datenaustausch zwischen verschiedenen Behörden zu erleichtern. Außerdem begrüßen wir, dass die Linke die Weiterentwicklung Freier Software durch öffentliche Verwaltungen fordert. Das hilft nicht nur anderen Behörden, Kosten zu sparen, sondern kommt auch der Allgemeinheit zu Gute, da die entsprechenden Freie-Software-Projekte von den Verbesserungen durch die Behörden profitieren.

Fazit

Alle befragten Parteien haben sich im Vergleich zu ihren Positionen 2013 nahezu nicht bewegt. Die derzeitigen Regierungsparteien CDU/CSU und SPD haben sich bedauerlicher Weise nicht weiter in Richtung Freier Software bewegt. Beide Parteien haben keine der von ihnen genannten Schritte zur Förderung Freier Software eingeleitet. Die juristischen Bedenken bezüglich § 63 Abs. 2 BHO wurden nicht geklärt und Deutschland bleibt mit der schwachen Förderung Freier Software digitaler Nachzügler in Europa. Das CDU geführte Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist hier als einziges Ministerium positiv in Erscheinung getreten und hat mit der Förderung des Prototype Fund in dieser Legislaturperiode mehrere Millionen direkt in die Entwicklung von Freier Software investiert.

Im Vergleich dazu bestätigen die Grünen und die Linken das Bild, welches sie bei unseren Wahlprüfsteinen zur letzten Bundestagswahl hinterlassen haben. Während die Grünen bei allgemeinen Statements wiederholen, dass Freie Software und freie Formate für sie "ein Eckpfeiler für sichere und zukunftsfähige IT-Systeme" sei, bekräftigen die Linken ihre Position zu Freier Software: So sollen "durch öffentliche Mittel finanzierte Entwicklungen allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen". Positiv zu bewerten ist zudem, dass die Linke mit Blick auf Freie Software nicht nur die kommerziellen Aspekte hervorhebt, sondern auch die der Autonomie und der Wiederverwertbarkeit, da diese "auch von den IT-Zentren der öffentlichen Verwaltung mit weiterentwickelt werden kann."

"Während der letzten Legislaturperiode hat sich bei den Parteien nicht viel zu Freier Software getan. Das muss sich nach der Wahl ändern, damit Deutschland nicht den Anschluss an Software-Innovationen verliert, von denen Unternehmen schon lange profitieren. Dafür bieten wir unsere Hilfe und Expertise an", so Björn Schießle, Deutschlandkoordinator der FSFE.

Wie Du helfen kannst

Es ist noch etwas Zeit bis zur Bundestagswahl am 24. September. Sollten die Antworten der Parteien weitere Fragen aufgeworfen haben, möchten wir alle dazu ermutigen, diese direkt an die Kandidatinnen zu stellen. Hierfür bietet sich die Plattform Abgeordnetenwatch an, aber auch der direkte Kontakt auf Wahlkampfveranstaltungen, per E-Mail oder telefonisch ist eine gute Möglichkeit um mit Politikern in Kontakt zu kommen und mehr, über ihre Position zu Freier Software zu erfahren. Zur weiteren Wahlinformation vor der Bundestagswahl haben wir zusammen mit der Koalition Freies Wissen außerdem einen Digital-O-Mat gestaltet. Ähnlich dem "Wahl-O-Mat" der Bundeszentrale für politische Bildung können sich die Nutzer des Digital-O-Mat durch ihre eigenen Antworten mit den zur Wahl antretenden Parteien vergleichen.

Analysen wie diese, vom ersten Entwurf der Fragen bis zur abschließenden Auswertung, kosten viel Zeit und Recherche. Aber auch nach der Wahl wollen wir mit den Parteien in Kontakt bleiben und sie bei der Umsetzung ihrer Wahlversprechen begleiten. Wir freuen uns deshalb über jede Unterstützung, um auch in Zukunft diese wichtige Arbeit zu leisten.

Über die Koalition Freies Wissen

Die Koalition Freies Wissen ist ein Zusammenschluss aus mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen, namentlich des Bündnis Freie Bildung, dem Chaos Computer Club e.V., dem Digitale Gesellschaft e.V., dem Förderverein freie Netzwerke e.V., der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., Wikimedia Deutschland e.V. und der Free Software Foundation Europe.

Gemeinsames Ziel der Koalition Freies Wissen ist es, die politische Bildung zu den Themen Digital- und Netzpolitik voranzutreiben sowie digitale Bürgerrechte in Gesellschaft und Politik zu verankern und zu beleuchten. Dazu wurden in vorangegangenen Landtagswahlen sowie zur Bundestagswahl 2017 gemeinsame Wahlprüfsteine an die jeweils antretenden Parteien versendet und für die Bundestagswahl zudem ein gemeinsamer Digital-O-Mat gestaltet.